Otto Schamschula – Texte aus Katalogen
Einzelausstellung mit Gertrud Schamschula im Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt
Auszug aus dem Katalog zur Ausstellung „Gertrud und Otto Schamschula 1954 – 1988“.
Der Text wurde von Frau Dr. Sabine Runde (Museum Angewandte Kunst Frankfurt) verfasst. Heading
Leben und Werk
Das Werk von Otto und Gertrud Schamschula präsentiert sich heute als eine dichte Folge von Goldschmiedearbeiten, Silbergerät und Holzobjekten, deren verschiedene stilistische Perioden und durchgehend klare Formensprache von Kontinuität und Wandel in dem über dreißigjährigen Arbeiten dieser beiden Kunsthandwerker sprechen. Wo die Anfänge für einen solchen Weg liegen, ist immer wieder reizvoll zu erfahren.
Otto Schamschula
Otto Schamschula stammt aus einer Familie, in der sich künstlerische Begabung auf dem Gebiet der Musik zeigte. Außer dem selbstverständlichen Erlernen eines Instrumentes und der Pflege von Hausmusik gehörten zu Familie auch Berufsmusiker. Als stärker erwies sich bei Otto Schamschula schon früh die Neigung zu handwerklicher Arbeit. Fertigung nützlicher Gegenstände, oder kleiner Schnitzereien, wozu Fingerfertigkeit, Geschick und Geduld gehören, lagen ihm so, dass er sich – noch ganz unpräzise und mehr als Idee – seine mögliche berufliche Zukunft in der um seinen Wohnort Karlsbad angesiedelten Porzellanindustrie vorstellte.
Solche Pläne wurden durch den zweiten Weltkrieg und seinen Auswirkungen zunichte gemacht. Die Ausweisung aus der Tschechoslowakei vorraussehend, die 1946 tatsächlich erfolgen sollte, überschritten der Vater und sein ältester Sohn illegal die Grenze in den „Westen“, um einen neuen Wohnort ausfindig zu machen. Sie erfuhren, dass fär ein solches Vorhaben eine Zuzugsberechtigung erforderlich war, die in Stuttgart ausgestellt werden konnte. Auf der Bahnfahrt dorthin passierten sie Schwäbisch Gmünd, das ihnen als unzerstörtes, hübsches Städtchen in Erinnerung blieb. Als sie dann in Stuttgart den zukünftigen Wohnort festlegen mussten, fiel Ihre Wahl spontan auf diesen Ort. Für Otto Schamschula war diese Entscheidung zukunftsbestimmend.
Schwäbisch Gmünd als Edelmetall-, Schmuck- und Uhrenindustriezentrum bot dem handwerklich Interessierten vielfältige Ausbildungsmöglichkeiten. So beschloss er, eine Lehrstelle in der Industrie zu suchen. Diese Bemühungen wurden schnell in andere Bahnen gelenkt, als man ihm aufgrund besonderer Leistungen in der Aufnahmeprüfung riet, seine doch wohl überdurchschnittlichen Begabungen an der Fachhochschule für Metallgestaltung am Ort ausbilden zu lassen.
Bereits im Herbst 1946 besuchte er als jüngster Schüler das erste Semester, mit dem die staatliche Höhere Fachschule für das Edelmetallgewerbe ihre Arbeit nach Kriegsende wieder aufnahm.
Obwohl die Ausbildung an der Fachhochschule in gestalterischer Hinsicht stark retrospektive Züge trug, war die Vermittlung der technisch-handwerklichen Grundkenntnisse in den Fachklassen Gold- und Silberschmieden, Ziselieren, Gravieren, Fassen und Galvanisieren gründlich und gut. Die verschiedenen Klassen für Zeichnen, Bildhauerei und Malerei erweiterten das auf die Schmuckgestaltung konzentrierte Blickfeld auf die Möglichkeiten der bildenden Künste.
Eine Atmosphäre des aufatmenden Neubeginns, die in diesen Jahren nach Ende des zweiten Weltkrieges herrschte, ermöglichte wieder die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten nationalen wie internationalen Kunstäußerungen und -strömungen.
Es wurden Exkursionen zu Ausstellungen unternommen, für die, wie z.B. eine Reise nach Tübingen, eine Sondergenehmigung zur Einreise in die französische Besatzungszone eingeholt werden musste. Die dort gezeigten japanischen Holzschnitte, besonders die der großen Meister Hokusai und Utamaro, hinterließen bei Otto Schamschula einen nachhaltigen Eindruck. Außerdem fuhren die Fachschüler monatlich einmal in die Stuttgarter Galerie Herrmann, um zeitgenössische Maler und ehemals als entartet verbotene Künstler anzusehen.
Für die persönliche Entwicklung Otto Schamschulas war die Förderung, die er durch den Leiter der Silberschmiedeklasse, Prof. Hans Warnecke erfuhr, von besonderer Bedeutung. Hans Warnecke, der auch zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen Werkbundes nach dem Krieg gehörte, vermied den Schülern seinen Stil aufzuprägen. Er verstand ihre Kreativität zu wecken, ermunterte sie neue Wege zu beschreiten, und beließ ihnen den wichtigen Spielraum zur Entwicklung einer ihnen gemäßen Formensprache. In verschiedenen gestalterischen Versuchen sah er bei Otto Schamschula einen grundsätzlich bedeutsamen Ansatz, aus der Umsetzung der technischen Prinzipien die Form zu entwickeln, eine Vorgehensweise, die von bleibender Bedeutung auch für sein späteres Gestalten blieb. Diese Beobachtung veranlasste Prof. Warnecke, Otto Schamschula noch während der Lehrzeit in seine Meisterklasse aufzunehmen.
Nach seiner Gesellenprüfung, die er 1949 „mit Auszeichnung“ als Bester seines Jahrgangs bestand, folgte Otto Schamschula Prof. Warnecke, der an die Stuttgarter Akademie der bildenden Künste berufen worden war. Dort hatte er durch Hans Warnecke auch Gelegenheit zu einem Besuch bei Willi Baumeister.
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die eine Fortsetzung des Studiums mit sich brachte, führten dazu dass Otto Schamschula bereits nach einem Jahr in Stuttgart zu seiner Familie nach Darmstadt zog und dort als Goldschmied bei einem Juwelier über dreieinhalb Jahre arbeitete. In dieser Zeit legte er auch seine Meisterprüfung ab.
Eine weitere Ortsveränderung nach Neu-Isenburg bei Frankfurt, wo die Familie ein Haus bezog, ermöglichte ihm schließlich am 1. Juni 1954 gemeinsam mit seiner Frau Sophia die eigene Werkstatt zu eröffnen.
Am Anfang erbrachten Auftragsarbeiten den notwendigen Verdienst, um seine Ideen zu finanzieren. Die eigenen Entwürfe wurden am Abend, in der „Freizeit“ realisiert. Gleichzeitig bildete er auch Lehrlinge aus. Von Ihnen übt zum Beispiel Susanne Voss noch heute ihren Beruf als Goldschmiedin aus, andere wurden als Designer oder Bühnenbildner erfolgreich. Später erhielt Otto Schamschula auch Angebote, eine Hochschullaufbahn einzuschlagen, aber er fürchtete, dass die Aufteilung der Energie und Zeit zu Lasten seiner Entwurfsarbeit ginge, und entschied sich ganz für die Arbeit an den eigenen Ideen.
Um seine ersten Arbeiten der Öffentlichkeit vorzustellen, gab es in seiner Nähe kein geeigneteres Forum als die Internationale Messe in Frankfurt, auf der es jedoch damals wie heute gleich schwer war, einen Stand zu erhalten. Durch den Eintritt in den Bund Hessischer Kunsthandwerker eröffnete sich ihm 1955 erstmals die Gelegenheit, dort mit einer Vitrine auf dem Stand eines Wiesbadener Spitzenklöpplers mitauszustellen.
In der Zeit des „Wirtschaftswunders“ war es eine besondere Chance, seine Arbeit einem aufgeschlossenen Publikum präsentieren zu können. Die positive Resonanz barg viel Motivation, und als Otto Schamschula 1956 schließlich einen eigenen, vier Quadratmeter großen Stand beziehen konnte, war ein solcher Schritt von Optimismus und Selbstbewußtsein getragen. Auf der Frankfurter Messe sah auch Gertrud Richter seine Arbeiten zum ersten Mal. 1961 verlegte Otto Schamschula seine Werkstatt nach Frankfurt, und in den Jahren darauf erfolgte die Trennung von seiner Frau.
Objekte
Die plastische Qualität auch der kleinen Objekte veranlasste Otto Schamschula schließlich, seine Gestaltungsideen auch an größeren Formaten zu erproben. Die Holzplastiken sind aus gleichmäß,ig geformten, z.T. abgestuften geometrischen Elementen zusammengefügt. Sie sind teilweise beweglich oder drehbar angelegt und verbergen ihre genetische Herkunft vom Schmuck der beiden Künstler nicht. Sie sind der Beweis für äußerst fruchtbare wechselseitige Beeinflussung, die sich durch die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Materialien, Materialkombinationen und den unterschiedlichen Aufgabenstellungen ergeben hat. auch Ausdruck. Das spannungsvolle Verhältnis, das Schmuck, Geräte und Objekte zueinander haben, findet in den Anerkennungen, die Otto und Gertrud Schamschula seit den 70er Jahren erfahren konnten. Außer zahlreichen Einzelausstellungen und Beteiligungen an größ,eren und kleineren nationalen und internationalen Präsentationen erhielt Otto Schamschula 1972 den Hessischen Staatspreis, der für das gesamte Werk eines Künstlers vergeben wird. 1978 gewannen beide Künstler den Bayerischen Staatspreis, mit dem besonders die intarsierten Silberdosen ausgezeichnet wurden, und 1983 erfuhr ihr Tablett-Entwurf in dem internationalen Wettbewerb „Das Tablett“ eine Anerkennung. Im selben Jahr gewann Otto Schamschula mit einer beweglichen Holzskulptur den dritten Preis in dem Wettbewerb „Das kinetische Objekt“.
Für die überzeugende Geschlossenheit, mit der sich das Werk Gertrud und Otto Schamschulas heute präsentiert, sind die hohe handwerkliche Könnerschaft und entschiedene Formensprache maßgebend, die durch alle Stilphasen, ihren sachlichen, unprätetiösen Charakter bewahrt hat.
Dr. Sabine Runde (mak.frankfurt)