Gertrud Schamschula – Texte aus Katalogen

Einzelausstellung mit Otto Schamschula im Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt

Auszug aus dem Katalog zur Ausstellung „Gertrud und Otto Schamschula 1954 – 1988“ im museum für angewandte kunst.
Der Text wurde von Frau Dr. Sabine Runde (Museum Angewandte Kunst Frankfurt) verfasst.

Gertrud Schamschula, geb. Richter, wuchs in Glauberg in der Wetterau auf. Ihr Vater war Professor für Vor- und Frühgeschichte in Gießen und Leiter der Ausgrabungen der keltischen Fliehburg auf dem Glauberg. Durch die Mutter, die seit 1952 in Offenbach an der Werkkunstschule die Klasse für Weberei besuchte, kam sie als 10jährige mit dem Betrieb der Kunstschule und den Bereichen des Kunsthandwerkes in Berührung. Prägend waren für sie jedoch später die vielen Besuche in der Werkstatt der seit 1956 in Düdelsheim arbeitenden Keramiker Beate Kuhn und Karl Scheid. Die große Faszination, die eine Lebensweise auf sie ausübte, welche zwischen Leben und Arbeit keine Trennung zieht, ließen in Ihr den Entschluss reifen, sich ebenfalls im Bereich des Kunsthandwerks ihren Beruf zu wählen.
Durch Ihre Mitarbeit in der Keramikwerkstatt während der Schulferien war Gertrud Richter aber auch klar geworden, dass der weiche Ton nicht das Material war, in dem Sie Ihre Ideen verwirklichen wollte. Sie fühlte sich stärker von der Härte und den widerstrebenden Eigenschaften des Metalls angezogen. Bisher hatte sie nur Schülerarbeiten ihrer Schwester kennen gelernt, die in Hanau an der Zeichenakademie eine Goldschmiede- Ausbildung machte. Sie selbst hatte jedoch andere Formvorstellungen, so dass Karl Scheid Ihr empfahl, sich einmal auf der Frankfurter Messe umzusehen. Dort sah sie die Arbeiten Otto Schamschulas und fragte ihn noch auf der Messe, ob sie bei ihm in die Lehre gehen könne. Sie erfuhr, dass im Herbst 1959 eine Lehrstelle bei ihm frei würde und die nächste dann erst wieder dreieinhalb Jahre später zu besetzen sei. Ihr Entschluss war schnell gefasst, sie brach die Schule ab und begann im darauf folgenden Herbst in Neu-Isenburg ihre Goldschmiedeausbildung. Im Frühjahr 1960 wechselte Gertrud Richter an die Zeichenakademie nach Hanau und belegte das Fach Silberschmieden.
Die Schulausbildung, die auf breitgefächerte und umfassende Kenntnisse angelegt war, hatte gegenüber der Werkstattausbildung den Schwerpunkt in der Theorie, die vom Fachzeichnen, Modellbau, über Materialkunde, Kunstgeschichte bis zur Kalkulation reichte. Gertrud Richter, die die Arbeit in der Werkstatt kennengelernt hatte und der besonders am praktischen Arbeiten gelegen war, bemühte sich deshalb bald um eine Stelle während der Ferienzeit. Die Metallgefäße von Max Zehrer, der 1959 auf der Frankfurter Messe mit dem Hessischen Staatspreis ausgezeichnet worden war, gefielen Ihr gut, so das Sie Ihm wegen eines sechswöchigen Praktikums nach Würzburg schrieb. Es gelang Ihr schließlich bei einem persönlichen Besuch, ihn, der eigentlich keine Praktikanten aufnehmen wollte, zu überzeugen, eine Ausnahme zu machen. Während dieser Wochen konzentrierte sie sich auf Schmieden und Aufziehen, entwickelte Gefühl für das Material und schnitzte Elfenbein. 1963 schloss sie die Ausbildung an der Hanauer Zeichenakademie mit der Gesellenprüfung ab.
Die Möglichkeit, als Silberschmiedin zu arbeiten, boten besonders Werkstätten, die Aufträge von kirchlicher Seite erhielten. Unter diesen empfand Gertrud Richter die Werkstatt Schwerdt-Förster in Aachen als die beste. Ihre Bewerbung dort hatte Erfolg. Der Betrieb der zahlreiche Grossaufträge ausführte, beschäftigte mit ihr zehn Mitarbeiter. Die großen Projekte, wie die Hedwigskirche in Ost-Berlin oder ganze Chorschranken für den Mainzer Domschatz, erforderten eine gut abgestimmte Zusammenarbeit. Gertrud Richter hatte hier Gelegenheit, Silber- und Goldschmiedearbeiten in einer ganz anderen Dimension kennenzulernen. Fritz Schwerdt, die schöpferische Kraft des Unternehmens, beeindruckte sie durch Formenreichtum und seine unendliche Phantasie. Sie wurde mit einer anderen Auffassung der Flächengestaltung konfrontiert, die strukturiert, rhythmisiert, ornamentiert, aber nie glatt belassen wurde. Dass die Ergebnisse trotzdem nie überladen oder protzig wirkten, war verantwortlich dafür, dass sie nach eineinhalb Jahren intensiver Mitarbeit dort mit vielen neuen Erfahrungen und einem offeneren Verhältnis zum Ornament nach Frankfurt zurückkehrte. Dort arbeitet sie seit 1964 mit Otto Schamschula in einer gemeinsamen Werkstatt, und 1968 legte sie Ihre Meisterprüfung ab.

50 Jahre Atelier für Silberschmiedekunst

Christina Beyer, Bundesverband Kunsthandwerk e.V.

Seit Mitte der 60er Jahre lebt Gertrud Schamschula in Frankfurt am Main und entwirft seitdem in ihrem Atelier Gold- und Silberschmiedearbeiten, die eine eigenständige, unverkennbare Handschrift tragen. Die charakteristischen Schmuckarbeiten bilden jedoch nur einen Teil ihres Schaffens, in diesem Katalog wird das Augenmerk auf die kontinuierliche, intensive Auseinandersetzung mit Silbergerät gerichtet, das in fünf Jahrzehnten im Atelier Schamschula entstanden ist. Die früheren Werke sind Gemeinschaftsarbeiten von Gertrud und Otto Schamschula, wobei jeweils 925/000 Silber in Kombination mit verschiedenen Holzarten wie Rosenholz, Cocobolo, Grenadill, Amaranth, aber auch Plexiglas und Kautschuk Verwendung fanden. Die Entwürfe entstanden in enger Abstimmung und Zusammenarbeit des Künstlerpaares, wer von beiden die handwerkliche Umsetzung vornahm, war jedoch abhängig von dem zu bearbeitenden Material. Kümmerte sich Otto Schamschula um das Holz und die anderen Materialien, so arbeitete Gertrud Schamschula immer die Silberteile aus. Geschmiedet, aufgezogen und montiert, die ganze Palette traditioneller Silberschmiedetechniken wendet Gertrud Schamschula bei ihren Arbeiten an, angesichts der Ergebnisse fast überflüssig zu sagen, dass sie sie perfekt beherrscht. Schon als Jugendliche hatte sie sich für gestalterische Berufe interessiert und an eine Berufswahl als Keramikerin gedacht. Doch ein anderes Material übte eine größere Faszination aus und ihre Berufung zu einer lebenslangen Arbeit mit Metallen erkannte sie, als sie über ihre Schwester, die sich als Goldschmiedin ausbilden ließ, damit in Berührung kam. Sie begann eine Ausbildung an der Staatlichen Zeichenakademie in Hanau, die sie 1963 mit der Gesellenprüfung abschloss. Nach der Mitarbeit in den bedeutenden Werkstätten von Max Zehrer in Würzburg und Schwert-Förster in Aachen arbeitete sie seit 1964 in einem gemeinsamen Atelier mit Otto Schamschula in Frankfurt am Main. 1968 legte sie dann die Meisterprüfung im Silberschmiedehandwerk ab. Stand bei den Arbeiten in Verbindung von Holz, anderen Stoffen und Silber das Spiel mit Grundformen wie Kreis, Quadrat und polygonaler Formen für die Silberanteile im Vordergrund, um die Faszination des Objektes aus den überraschenden Formen des ergänzenden Materials und der Schönheit der Holzoberflächen zu beziehen, so setzte Ende der 90er Jahre eine wesentliche Veränderung und Entwicklung in der Formensprache ein. Die gestalterische Zäsur trat nach dem plötzlichen Tod Otto Schamschulas ein. Zunächst beschäftigte sich Gertrud Schamschula noch einige Jahre mit Materialkombinationen, doch waren es nun nicht mehr die von Silber mit Holz, sondern sie verband Silber mit edlen Steinen. Immer stärker setzte sie sich zum Ende des 20. Jahrhunderts mit der Veränderung des eigenen Formenkanons auseinander. Ihre Silberarbeiten sind weicher geworden, fließender, und sie verzichtete zunehmend auf die Verarbeitung anderer Materialien als Silber. Formen, die in Beziehung zum umgebenden Raum gesetzt werden, gewannen an Bedeutung. Für ihre Arbeiten erhielt sie eine Reihe von Auszeichnungen, und die künstlerische Bedeutung ist durch die Aufnahme in wichtige nationale und internationale Ausstellungen gewürdigt worden.Sie selbst führt den Wandel, der um das Jahr 2000 begann, auf die Anwendung von Silberschmiede-Techniken zurück, die sie in einem Workshop in Irland bei Brian Clarke erprobte. Wer Gertrud Schamschula schon jemals bei einer ihrer Atelierausstellungen in Frankfurt besucht hat ahnt, woher neben den technischen Neuerungen die gestalterischen Veränderungen rühren können. Ihre Arbeiten heute spiegeln Klarheit, Formenstrenge, aber auch eine Leichtigkeit wider, wie sie bei ihr als Mensch und in ihrer persönlichen Umgebung, nämlich ihrem Wohnatelier zu finden sind, das Licht durchflutet und Raum greifend über den Dächern von Frankfurt gelegen ist. Dort kann sie Leben und Arbeiten miteinander verbinden, wie sie es sich wünschte, als sie sich als Jugendliche für den Beruf der Silberschmiedin entschieden und darin ihre Berufung als Künstlerin gefunden hat.

Gertrud Schamschula – Schmuck und Gerät

Rainer Desens, Kunsthistoriker

Schmuck von Gertrud Schamschula hat einen ganz eigenen Charakter. Er protzt nicht. Er blitzt nur selten.
Er stellt nicht den Wohlstand seiner Besitzer und Sammler zur Schau, sondern höchstens deren Kunstsinn und Qualitätsverständnis. 
Für Gertrud Schamschula sind Ringe, Colliers oder Broschen nur die eine Facette ihrer Auseinandersetzung mit edlen Metallen.
Den kleinen, kostbaren Kunstwerken stehen die Gebrauchsgegenstände gegenüber, die für den Gebrauch fast viel zu schön und
zu schade sind: Dosen, Kannen, Trinkgefäße.
Mit gleicher Präzision beherrscht die Gold- und Silberschmiedin (Meisterprüfung 1968) die große und die kleine Form.
Ihre ersten künstlerischen Versuche hatten der Keramik gegolten – und waren für sie unbefriedigend geblieben: Zu weich,
zu nachgiebig war für ihr Empfinden der plastische Ton. Sie suchte die Herausforderung des harten Metalls, um ihre
Formvorstellungen zu verwirklichen.
Nach der Ausbildung an der Hanauer Zeichenakademie wurde Gertrud Schamschula in die Werkstatt eines der renommiertesten
Silberschmiede, Fritz Schwerdt, aufgenommen, war an großen Projekten (Mainzer Dom, Berliner St. Hedwigs-Kathedrale) beteiligt und
vervollkommnete ihre handwerkliche Kunst. 
1964, in der gemeinsamen Werkstatt, begann die fast symbiotische Zusammenarbeit mit ihrem späteren Mann Otto Schamschula:
eine gemeinsame ästhetische Welt, gemeinsame Ausstellungen in Europa und Asien, gemeinsame Auszeichnungen
(Bayerischer und Hessischer Staatspreis).
Neue künstlerische Impulse bekam ihre Arbeit, als sie das Holz für sich entdeckten. Neue Bearbeitungstechniken wurden entwickelt,
um das spröde Material zu perfekter Harmonie mit Edelmetall und Edelsteinen zu bringen.
Eine neue Ästhetik entstand: unverkennbar Schamschula.
Nach dem Tod von Otto Schamschula 1996 haben sich die Prinzipien ihrer Arbeit nicht verändert.
Gertrud Schamschula hat nie aufgehört zu lernen, mit neuen Techniken neue Formen erarbeitet und dabei ihren Stil jenseits von
Trends und Moden perfektioniert.
Bei aller Energie, die sie in die Auseinandersetzung mit Stein, Holz, Gold und Silber legt, ist eines immer zu spüren: der Respekt,
den sie vor den von ihr gestalteten Materialien hat.

Nach oben scrollen